Bis 2017 regelte in Sachsen eine Verordnung des sächsischen Kultusministeriums die verbindliche Schulempfehlung beim Übertritt durch den Notendurchschnitt in den Fächern Deutsch, Mathematik und Heimat- und Sachkunde im Zwischenzeugnis der Grundschule in der 4. Klasse. Auch in Bayern regelt eine Verordnung den Übertritt.
Das Oberverwaltungsgericht Bautzen stellte in seinem Beschluss vom 20. Oktober 2016 fest, dass die Eltern laut Sächsischer Verfassung das Recht hätten, den Bildungsweg ihres Kindes frei wählen zu dürfen. Wenn nun das Elternrecht eingeschränkt werden soll, dann müsse dieses durch ein Gesetz erfolgen und nicht auf dem Weg einer Verordnung, so das Urteil.
Der Unterschied zwischen Gesetz und Verordnung ist bedeutsam
- Gesetze legen fest, was passieren soll. Gesetze werden vom Parlament, der Legislative, gemacht.
- Verordnungen legen die Umsetzung eines bereits bestehenden Gesetzes in allen Einzelheiten fest.
Verordnungen werden durch die ausführende Gewalt, die Exekutive, die Verwaltung, erlassen.
Genau dieses Problem besteht auch in Bayern. Die Schulordnung für die Grundschulen (GrSO) wurde vom Kultusministerium auf Grund des Bayerischen Unterrichtsgesetzes (BayEUG) erlassen. Die Einschränkung des Elternwillen in Bayern erfolgt somit – wie früher in Sachsen – nicht per Gesetz, sondern nur in einer Verordnung des Kultusministeriums.
Die Schulordnung für die Grundschulen in Bayern regelt den Übertritt in § 6 Satz 5 wie bekannt:
Die Eignung für einen weiterführenden Bildungsweg wird in der zusammenfassenden Beurteilung festgestellt. Die Eignung für den Bildungsweg des Gymnasiums liegt vor, wenn die Gesamtdurchschnittsnote mindestens 2,33 beträgt. Die Eignung für den Bildungsweg der Realschule liegt vor, wenn die Gesamtdurchschnittsnote mindestens 2,66 beträgt.
Blick auf die Sächsische und die Bayerische Verfassung zum Elternwillen
In der Sächsischen Verfassung Art. 101 Abs. 2 Satz 1 SächsVerf heißt es:
Das natürliche Recht der Eltern, Erziehung und Bildung ihrer Kinder zu bestimmen, bildet die Grundlage des Erziehungs- und Schulwesens.
In der Bayerischen Verfassung Art. 126 Abs. 1 BV heißt es:
Die Eltern haben das natürliche Recht und die oberste Pflicht, ihre Kinder zur leiblichen, geistigen und seelischen Tüchtigkeit zu erziehen. Sie sind darin durch Staat und Gemeinden zu unterstützen. In persönlichen Erziehungsfragen gibt der Wille der Eltern den Ausschlag.
Augenscheinlich ist der Wortlaut in der sächsischen Verfassung griffiger, scheint den Eltern mehr Rechte zuzusprechen.
Wolfram Cremer sieht dennoch eine Verletzung von Art. 126 Abs. 1 BV durch die bayerische Übertrittsregelung in seinem 2016 für die SPD erstellten Rechtsgutachten zur Regelung des Übergangs von der Primar- zur Sekundarstufe nach Bayrischem Schulrecht. Hier zieht er vor allem auch das Grundgesetz Art. 6 Abs. 2 GG heran, dass im Kern nach Struktur und Inhalt das Elternrecht parallel gewährt.
Bundesverfassungsgericht: Bildungsrecht liegt primär bei den Eltern
1972 traf der Bundesverfassungsgerichts folgende Aussagen über die Rolle des Elternwillens:
„Die Entscheidung über den weiteren Bildungsweg des Kindes hat das Grundgesetz zunächst den Eltern als den natürlichen Sachwaltern für die Erziehung des Kindes belassen. Damit wird jedenfalls dem Grundsatz nach berücksichtigt, daß sich das Leben des Kindes nicht nur nach seiner ohnehin von den Umweltfaktoren weitgehend geprägten Bildungsfähigkeit und seinen Leistungsmöglichkeiten gestaltet, sondern daß hierfür auch die Interessen und Sozialvorstellungen der Familie von großer Bedeutung sind. Diese primäre Entscheidungszuständigkeit der Eltern beruht auf der Erwägung, daß die Interessen des Kindes am besten von den Eltern wahrgenommen werden. Dabei wird sogar die Möglichkeit in Kauf genommen, daß das Kind durch einen Entschluß der Eltern Nachteile erleidet, die im Rahmen einer nach objektiven Maßstäben betriebenen Begabtenauslese vielleicht vermieden werden könnten. Dieses Bestimmungsrecht der Eltern umfaßt auch die Befugnis, den von ihrem Kind einzuschlagenden Bildungsweg in der Schule frei zu wählen.“
Wann werden wir bayerischen Eltern zu unserem Recht kommen?
Verfassungsbeschwerde Übertritt in Bayern
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