Ein „Grundschulabitur“, wie die bayerische Übertrittsregelung manchmal spitz bezeichnet wird, trifft leider das Hauptproblem nicht: Es handelt sich beim Übertritt eben nicht wie beim Abitur um eine einheitliche Prüfung, die an jeder Schule am gleichen Tag, die gleichen Fragen mit gleicher Zeitgabe gehalten wird. Selbst die Bewertungskriterien werden beim Abitur einheitliche für alle Schulen akribisch genau festgelegt. Dadurch kann man beim Abitur – im Gegensatz zum Übertritt – durchaus von Chancengleichheit sprechen.
Natürlich ist es nicht sinnvoll ein entsprechendes „Grundschulabitur“ einzuführen. Denn die einzelnen Grundschulklassen sind nicht gleich und brauchen deswegen eine individuelle Lehr- und Lernsituation. Grundschullehrer haben daher ein hohes Maße an pädagogischer Freiheit, um den Unterricht und die Proben an die vorhandenen Gegebenheiten einer Klasse anzupassen. Genau das ist in der 4. Klasse sinnvoll und wichtig.
Vor- und Nachteile pädagogischer Freiheiten
Diese pädagogischen Freiheiten können Chancengleichheit nicht nur fördern, sondern ihr auch entgegenwirken. Um Nachteile der pädagogischen Freiheit auszugleichen, bessert das Kultusministerium die Verordnungen zur 4. Klasse immer wieder nach und spezifiziert sie, um eine gute Balance zwischen Einheitlichkeit und pädagogischer Freiheit zu finden. Aber solange die Übertrittsempfehlung allein in der Hand eines einzigen Lehrers liegt, wird das bayerische Übertritts-System nie chancengleich sein können: Es scheitert einfach daran, dass kein Gesetz und keine Verordnung regulieren kann, dass jeder Grundschullehrer eine andere Persönlichkeit ist. Jeder handhabt die Schwere der Proben, die Transparenz über den Prüfungsstoff und die Bewertung der Proben unterschiedlich.
Erschwerend kommt hinzu, dass es keine unabhängige Qualitätssicherung im Bereich der Grundschule gibt. Während früher das Schulamt regelmäßig unangemeldet die Unterlagen der Lehrer überprüfte, sollen heute diese Aufgabe Kollegen erledigen.