Petition an den Bayerischen Landtag
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Aushebeln der GrSO durch Fehlklassifikation von Leistungserhebungen
Verfahrensfehler in der 4. Klasse der Grundschule Walting
Beschwerde
gegen
die Grundschule Walting und
das Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus
eingereicht am 28.7.2022
Petent: Ilona Zehetleitner
Zusammenfassung
In der Grundschule Walting wurden im Schuljahr 2021/22 in der 4. Klasse bis zum Übertrittszeugnis drei Leistungsnachweise erhoben, von denen zwei als "mündliche" Leistungserhebungen bezeichnet wurden und eine als "praktische" Leistungserhebung. Bei allen drei Leistungserhebungen hielten die Schüler aber ihre Lösungen schriftlich fest. Damit handelt es sich auch bei diesen drei Leistungsnachweisen um "schriftliche" Leistungserhebungen (= Proben).
In der 4. Klasse gilt für schriftliche Leistungserhebungen:
- sie müssen eine Woche vorher angekündigt werden
- sie dürfen nicht in den probefreien Zeiten geschrieben werden (in den Fächern Deutsch, Mathematik und HSU)
- es darf nur ein schriftlicher Leistungsnachweis am Tag und nicht mehr als zwei schriftliche Leistungsnachweise in der Woche geschrieben werden
- als Richtwert sind 18 schriftliche Leistungserhebungen in den Fächern Deutsch, Mathematik und HSU bis zum Übertrittszeugnis zu schreiben
Diese Regelungen des bayerischen Übertrittsverfahrens wurde 2009 und 2020 für die Reduzierung der Stressbelastung, die Qualitätssicherung, die Förderung der Chancengleichheit, die Schulung in Lerntechniken und die Erhöhung der Transparenz eingeführt bzw. verändert. Durch die Umbenennung der drei hier beanstandeten schriftlichen Leistungserhebungen in "mündliche" und "praktische" Leistungserhebungen wurden die Regelungen für schriftliche Leistungserhebungen umgangen. So umbenannte schriftliche Leistungserhebungen zählen nicht zur Richtzahl der Proben, werden nicht angekündigt und werden auch in den probenfreien Zeiten durchgeführt.
Die Grundschule Walting ist kein Einzelfall. Es ist gängige Praxis in bayerischen Grundschulen schriftliche Leistungserhebungen als „mündliche Leistungserhebungen“ oder sogar als „praktische Leistungserhebungen“ zu benennen.
Neben allen rechtlichen Konsequenzen entsteht durch dieses Handeln auch ein großer Schaden für das Vertrauensverhältnis der Eltern in die Lehrerinnen und Lehrer. Denn schnell fühlen sich die Eltern für dumm verkauft, wenn eine Lehrkraft offensichtliche schriftliche Leistungserhebungen als mündliche oder auch als praktische verkaufen möchte, um die Regelungen für Proben zu umgehen. Die Erziehungs- und Bildungspartnerschaft leidet darunter. Schnell berufen sich Lehrkräften bei Nachfragen dann auf die pädagogische Freiheit.
Doch die Begriffe schriftliche, mündliche und praktische Leistungserhebungen sind Rechtsbegriffe, die gerichtlich nachprüfbar sind. Hier besteht kein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum für die Schule oder für Lehrkräfte (vgl. auch Gerichtsbeschluss des VG Augsburg, Beschluss v. 15.09.2020 – Au 3 E 20.1398).
Inhaltsverzeichnis:
1. Rechtsrahmen für schriftliche Leistungserhebungen in der 4. Klasse Grundschule
2. Aushebeln der Regelung durch Umbenennen der Leistungserhebungen
3. Formen der Leistungserhebungen in der 4. Klasse Grundschule
4. Bayernweites Problem: Unangekündigte "Kurztests" oder "Kurzproben"
5. Walting: "Mündliche" Leistungserhebung Erste Hilfe
6. Walting: "Mündliche" Leistungserhebung Kopfrechenblatt
7. Walting: "Praktische" Leistungserhebung Geometrie
1. Rechtsrahmen für schriftliche Leistungserhebungen in der 4. Klasse Grundschule
2009 und 2020 wurden die Rahmenbedingungen des bayerischen Übertrittsverfahrens angepasst mit den Zielen:
- Reduzierung des Leistungsdruckes
- Qualitätssicherung
- Erhöhung der Bildungs- und Chancengleichheit
- Schulung von Arbeitstechniken, die in Jahrgangsstufe 5 vorausgesetzt werden
- Erhöhung der Transparenz
Um diese Ziele zu erreichen, wurden für schriftliche Leistungserhebungen folgende Regelungen eingeführt:
- Ankündigung der schriftlichen Leistungserhebungen mindestens eine Woche vorher
- vier Wochen ohne schriftlichen Leistungserhebungen in den Fächern Deutsch, Mathematik und HSU
- Beschränkung bei schriftlichen Leistungserhebungen
- nur ein schriftlicher Leistungsnachweis am Tag und nicht mehr als zwei schriftliche Leistungsnachweise in der Woche
- 18 schriftliche Leistungserhebungen in den Fächern Deutsch, Mathematik und HSU bis zum Übertrittszeugnis
- Die Zahl von vier Probearbeiten darf aber in keinem Fach unterschritten werden.
Belege: Das KM kommunizierte diese Ziele explizit 2009 und 2020
1.1 Ziele der Ankündigung von schriftlichen Leistungserhebungen:
- Reduzierung des Leistungsdruckes [1]
- Schulung von Arbeitstechniken, die in Jahrgangsstufe 5 vorausgesetzt werden [5]
- Erhöhung der Bildungs- und Chancengleichheit [6]
- Schaffung gleicher Chancen für alle Schülerinnen und Schüler[7]
- Erhöhung der Transparenz [8]
1.2 Ziel der Einführung der prüfungsfreien Zeiten:
1.3 Ziele der Einführung der Richtwerte zu den schriftlichen Leistungserhebungen
- Erhöhung der Chancengleichheit: Prinzips der Vergleichbarkeit zwischen einzelnen Grundschulen [11]
- Qualitätssicherung
- Reduzierung des Leistungsdrucks [14]
- soll nicht überschritten werden, wegen Entlastung der Lehrkräfte und Zunahme der prüfungsfreien Zeiten [15]
2. Aushebeln der Regelungen durch Umbenennen der Leistungserhebungen
Diese Regelungen werden aber in einigen Schulen Bayerns durch einen Trick ausgehebelt
Obige beschriebene Regelungen gelten für schriftliche Leistungserhebungen. Die Begriffe „schriftliche Leistungserhebungen“, „Proben“ und „Probearbeiten“ werden synonym verwendet. Benennt eine Grundschullehrkraft nun eine schriftlich erhobene Leistungserhebung um und bezeichnet sie als „mündlich“ oder „praktisch“,
- müssen sie nicht angekündigt werden
- dürfen sie in der probenfreien Zeit erhoben werden
- werden sie nicht zum Richtwert der Probengesamtzahl hinzugezählt
- können sie zusätzlich zu zwei weiteren Proben in der gleichen Woche erhoben werden
- können sie an einem Tag erhoben werden, an dem bereits eine weitere Probe durchgeführt wird
Die Grundschule Walting erhebt in der 4. Klasse regelmäßig, wenn auch nicht häufig, Leistungserhebungen, die die Schüler schriftlich lösen, deren Bewertung dann aber als mündliche oder praktische Leistungserhebung in die Gesamtnote einging. Viele andere Grundschulen veröffentlichen im Internet, dass sie ein ähnliches Vorgehen praktizieren.
Aus unserer Sicht ist diese Benennung einer schriftlichen Leistungserhebung als „mündlich“ oder „praktisch“ nicht rechtskonform. Diese Umbenennung wäre ausschließlich dann kein Problem, wenn für mündliche und praktische Leistungserhebungen die gleichen Regeln gelten würden wie für die schriftlichen Leistungserhebungen. Da sich diese strengeren Regeln aber nur auf die schriftlichen Leistungserhebungen beziehen, können diese durch eine Umbenennung einer schriftlichen Leistungserhebung in mündliche oder praktische Leistungserhebung ausgehebelt werden.
Damit werden die Ziele von Chancengleichheit, Qualitätssicherung etc. unterlaufen.
3. Formen der Leistungserhebungen in der 4. Klasse Grundschule
Wie entscheidet sich prinzipiell, ob es sich bei einer Leistungserhebung um eine schriftliche, mündliche, praktische oder mehrdimensionale handelt?
In der klassisch schriftlichen Leistungserhebung liegt dem Schüler die Aufgabenstellung schriftlich und seine Lösung erfolgt schriftlich. Ebenso ist es bei der klassisch mündlichen Leistungserhebung, bei der sowohl die Aufgabenstellung mündlich genannt als auch die Lösung des Schülers mündlich erfolgt.
Allerdings könnte z. B. für ein Referat die Aufgabenstellung der Lehrkraft auch schriftlich vorliegen. Beim Diktat wird die Aufgabe mündlich gestellt und die Lösung des Schülers erfolgt schriftlich.
Kombinationsmöglichkeiten für Form der Aufgabenstellung und Form der Lösung des Schülers:
Im Folgenden werden die Begriffe rechtlich und aus Sicht des ISB beleuchtet
a) Rechtsbegriffe schriftliche, mündliche und praktische Leistungsnachweise
Schriftliche, mündliche und praktische Leistungsnachweise sind Rechtsbegriffe, die gerichtlich voll nachprüfbar sind und bei denen kein Beurteilungs-, Interpretations- oder Ermessensspielraum für die Schule oder für Lehrkräfte besteht. Die folgenden Aussagen unter Punkt a) basieren auf das Werk Prüfungsrecht von Niehues/Fischer/Jeremias (8. Auflage 2022, insbesondere Rn. 22, 28f., 35, 685 ,874ff. m.w.N.). Daraus folgt, dass die gleiche Art der Leistungserhebung in allen Schularten und Schulen in Bayern gleich klassifiziert werden müssen.
Für die Verwendung der Rechtsbegriffe ist wesentlich, auf welche Art und Weise die Prüfung stattfindet. „Mit der Bestimmung einer Prüfungsart ist das Abfragen unterschiedlicher Kompetenzen verbunden.“ [25] Die Festlegung des verwendeten Begriffs schriftlich, mündlich oder praktisch bezieht sich auf die Art des Abbildens der geprüften Kompetenzen.
Kompetenzen schriftlicher Prüfungen:
- schriftliche Ausdrucksfähigkeit
- konzentriertes ungestörtes Arbeiten an einer Aufgabe
- sorgfältiges Arbeiten im Herstellungsprozess
- gegebenenfalls Arbeiten mit den zugelassenen Hilfsmitteln
Weitere Merkmale
- „Aufsichtsarbeit“ als Rolle des Prüfers während der Prüfung mit Charakter einer Klausur
- Schriftliche Prüfungen können auch ohne Anwesenheit eines Prüfers erbracht werden (z.B. „Hausarbeiten“)
Kompetenzen mündlicher Prüfungen:
- mündliche Präsentation eines Ergebnisses
- mündliches Ausdrucksvermögen
- wechselseitige Kommunikationsfähigkeit
- situationale Interaktionsfähigkeit zwischen mindestens zwei Kommunikationspartnern
- das Leistungsvermögen unter dem Druck zur spontanen Argumentationsführung
- unverzügliche Reaktion auf unvorhergesehene Fragen oder Entwicklungen
- auf die im Meinungsaustausch festzustellende Fähigkeit zur unmittelbaren kritischen Reflexion
Weitere Merkmale
- der Prüfer muss anwesend sein
- Rolle des Prüfers während der Prüfung: vollständige und unmittelbare Kenntnisnahme der Prüfungsleistung
- Prüfer bezieht Schwierigkeitsgrad der Aufgabe, Schnelligkeit und Genauigkeit des Erfassens der Probleme, Überzeugungskraft seiner Argumente in seine Erwägungen mit ein
- Schwierigkeiten der Beweisbarkeit, häufig wird daher ein Beisitzer verlangt
- Neben dem klassischen Prüfungsgespräch stellen auch Präsentationen oder Referate mündliche Prüfungsleistungen dar.
praktischen Prüfungen:
- weisen zahlreiche Parallelen zu mündlichen Prüfungen auf
- sind wie mündliche Prüfungen naturgemäß flüchtig
- viele Elemente entziehen sich der vollständigen Protokollierung durch den Prüfer, z.B. das schnelle Erfassen der konkreten Situation usw.
- die praktischen Fähigkeiten des Prüflings müssen unmittelbar persönlich in Augenschein genommen werden
- die Prüfer haben sich nicht nur auf das Ergebnis der Prüfung, sondern auf den gesamten Prüfungsprozess zu fokussieren und diesen zu bewerten.
Weitere Merkmale
- Rolle des Prüfers während der Prüfung: vollständige und unmittelbare Kenntnisnahme der Prüfungsleistung
- der Prüfer muss anwesend sein
- Nach Beendigung der Prüfung ist das Prüfungsgeschehen wie bei einer mündlichen Prüfung in der Regel allenfalls zeitnah rekonstruierbar, da später die Erinnerung der Prüfer zunehmend verblasst
- bei der nicht ausschließlich ein Ergebnis unabhängig von dessen Herstellungsprozess (z.B. ein fertiges Werkstück) zu beurteilen ist, sondern auch die Fähigkeiten des Prüflings im Mittelpunkt der Prüfung stehen und zu bewerten sind
b) Wie teilt das ISB die möglichen Formen der Leistungserhebung ein?
In der vom KM veröffentlichen Broschüre Leistungserhebungen heißt es: „Der Leistungsstand der Schülerinnen und Schüler kann anhand von schriftlichen, mündlichen und praktischen Leistungen sowie auf Basis von Leistungen aus mehrdimensionalen Schülerprodukten (z. B. Portfolios) erhoben werden.“ [16]
Es geht also um die Form der Leistung des Schülers, nicht um die Form der Vorlage der Lehrkraft.
Das ISB veröffentlicht hierbei folgende Tabelle [17]
Aus dieser Auflistung des ISB ist ersichtlich: entscheidend für die Einteilung der Form der Leistungserhebung ist die Form der Lösung des Schülers:
- schriftlich: In allen genannten Beispielen des ISB schreibt oder zeichnet der Schüler seine Lösung.
- mündlich: In allen genannten Beispielen des ISB spricht der Schüler seine Lösung. Dabei wird die Leistung des Schülers individuell und einzeln erbracht. Ein Gedicht wird von einem einzelnen Schüler vorgetragen, ein Referat ebenso.
- praktisch: In allen genannten Beispielen des ISB wird die Lösung des Schülers prozessorientiert: Es wird gebastelt, gebaut, gespielt, experimentiert. Konstruktion bedeutet hier beispielsweise den Bau eines Höhenmodells oder eines Quaders aus Papier. Dabei wird die Leistung des Schülers ebenso individuell und einzeln erbracht.
- mehrdimensional: Hier werden mehrere der oben genannten Präsentationsformen des Schülers angewandt.
Diese Einteilung des ISB ist konsistent mit obig dargestellten Abgrenzungskriterien zwischen den Rechtsbegriffen schriftliche, mündliche und praktische Prüfung nach dem Werk Prüfungsrecht von Niehues/Fischer/Jeremias.
c) Wie teilt der parlamentarische Gesetzgeber die möglichen Formen der Leistungserhebung ein?
Einen Hinweis, wie der Gesetzgeber die Formen der Leistungserhebung unterscheidet, lässt sich aus § 37 S. 2 Nr. 2 b i.V.m. §40 S.1 Nr. 3 S. 3 BaySchO erschließen, der die Aufbewahrung der Leistungserhebungen regelt. Er verlangt die Aufbewahrung der schriftlichen sowie praktischen Leistungsnachweisen (§37 Satz 2 BaySchO), nicht aber von mündlichen Leistungsnachweisen.
Mündliche Leistungserhebungen sind kein Teil der Schülerakte und werden nicht aufbewahrt: Der Grund dafür ist nicht, dass der Gesetzgeber diese nicht für relevant hielte, sondern ausschließlich der, dass sie per se aufgrund ihrer Form nicht aufbewahrt werden können. Mündliche Lösungen können per se nicht in der Schülerakte gelagert werden, da sie flüchtig sind.
d) Was sagt die bayerische Rechtsprechung zu den Formen der Leistungserhebungen?
Im Gerichtsbeschluss des VG Augsburg (Beschluss v. 15.09.2020 – Au 3 E 20.1398) heißt es:
„Der Begriff des „schriftlichen Leistungsnachweises“ ist ein Rechtsbegriff, der gerichtlich voll nachprüfbar ist; insofern besteht kein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum für die Schule. Nach dem Wortsinn handelt es sich um einen schriftlichen Leistungsnachweis, wenn die Aufgabenstellung den Schülern schriftlich präsentiert wird und die Lösung von den Schülern schriftlich festzuhalten ist.“
Dieser Gerichtsbeschluss bezog sich auf eine Leistungserhebung, deren Aufgabenstellung den Schülern schriftlich präsentiert wurde und die Lösung von den Schülern schriftlich festzuhalten wurde. Das Gericht setzt den Rechtsbegriff nur scheinbar eng. Der intuitiv vielleicht naheliegende Umkehrschluss „mündliche Aufgabenstellung und schriftliche Lösung des Schülers ist keine schriftliche Leistungserhebung“ ist nicht gültig, wie im Folgenden gezeigt wird. Dazu ist ein kleiner Ausflug in die Aussagenlogik notwendig. Die relevanten Aussagen sind:
Aussage A: Aufgabenstellung ist schriftlich
Aussage B: Lösung des Schülers wird schriftlich erbracht
Aussage C: der Leistungsnachweis ist schriftlich
Die Feststellung Gerichtsbeschluss:
„Aufgabenstellung ist schriftlich + Lösung des Schülers wird schriftlich erbracht → der Leistungsnachweis ist schriftlich“
wird logisch so ausgedrückt: A ∧ B → C
Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass eine Leistungsfeststellung, deren Aufgabenstellung mündlich und die Lösung des Schülers schriftlich erbracht wird, keine schriftliche Leistungserhebungen sei (logisch formuliert: ¬A ∧ B → ¬C).
Dieses unzulässige Argument als Schlussform sieht so aus:
Prämisse A ∧ B → C
Konklusion ¬A ∧ B → ¬C
Dabei handelt es sich um einen logischen Fehlschluss. Ein logischer Fehlschluss ist klar definiert: Wenn bei einem Argument die Subjunktion aus der Konjunktion der Prämissen und der Konklusion keine Tautologie ist, handelt es sich um einen Fehlschluss.
Hier die entsprechende Wahrheitstabelle:
Zusammengefasst:
Das bedeutet, dass auch nach und trotz dem Gerichtsbeschluss des VG Augsburg (Beschluss v. 15.09.2020 – Au 3 E 20.1398) eine Leistungserhebung, die aus einer mündlich dargestellten Aufgabenstellung und einer schriftlichen Lösung des Schülers besteht, eine schriftliche Leistungserhebung sein kann. Der Gerichtsbeschluss fasst den Begriff „schriftliche Leistungserhebung“ also nur scheinbar enger. Er enthält zwar keine Aussage, ob die schriftliche Lösung des Schülers mit dem schriftlichen Leistungsnachweis äquivalent ist, allerdings ist auch die Schlussfolgerung unzulässig, dass bei einer schriftlichen Leistungserhebung auch die Aufgabenstellung schriftlich erfolgen muss.
Das Urteil selbst verweist auf den Rechtsbegriff der schriftlichen Leistungserhebung im Sinne von Niehues/Fischer/Jeremias.
4. Unangekündigte Kurztests oder Kurzproben sind ein bayernweites Problem
Es herrscht an den Grundschulen Einigkeit darüber, dass sogenannte Proben angekündigt werden müssen und in der Regel auch doppelt gewichtet in die Berechnung der Jahresfortgangsnote fließen. Unangekündigte schriftliche Leistungserhebungen in der 4. Klasse sind ein bayernweites Problem. In sogenannten „Kurztests“ oder „Kurzproben“ werden unangekündigt Leistungserhebungen schriftlich erhoben. Diese Leistungserhebungen werden in manchen Grundschulen als „kleine schriftliche Leistungserhebungen“ bezeichnet, die laut falscher Aussage nicht anzukündigen seien. In anderen Grundschulen werden sie fälschlicherweise als „mündliche Leistungserhebungen“ bezeichnet, die an sich schon nicht angekündigt werden müssen.
Abgrenzung zu den Regelungen an der Realschule und dem Gymnasium
- Vielerorts gibt es auch in der Grundschule die Intuition, es gäbe kleine schriftliche Leistungsnachweise wie am Gymnasium oder der Realschule. Am Gymnasium und an der Realschule werden diese kleinen schriftlichen Leistungserhebungen umgangssprachlich „Exen“ genannt. In der Grundschule sind aber unangekündigte „kleine schriftliche Leistungserhebungen“ generell unzulässig.
- Hinzu kommt, dass diese „kleinen schriftlichen Leistungsnachweise“ in der Sekundarstufe als auch in der Grundschule umgangssprachlich fälschlicherweise als „mündliche Noten“ bezeichnet werden. Erfolgt aber die Form der Leistungserhebung schriftlich, handelt es sich an keiner Schulart um eine mündliche Leistungserhebungen. Auch in der Grundschule können schriftliche Leistungserhebung nicht einfach als mündliche Leistungserhebungen deklariert werden und deshalb unangekündigt erfolgen.
Beispiele für Schulen, die Kurzproben schreiben
Beispiele aus dem Internet, Stand 23.07.2022:
- Grundschule Ichenhausen:
„Kurztests dürfen in der probenfreien Zeit gehalten werden.“ [18] - Konradin-Grundschule Kaufbeuren
"4 prüfungsfreie Schulwochen, in denen keine Proben (außer Kurzproben, die als mündliche Noten zählen) geschrieben werden“ [19] - Bertleinschule Grundschule Lauf a.d. Pegnitz:
„Als mündliche Noten zählen auch Kurzproben. Sie werden nicht angekündigt, dürfen aber in der Jahrgangsstufe 4 nicht in den probenfreien Unterrichtswochen stattfinden. Beispiel für eine Kurzprobe: Schriftliches Abfragen des Einmaleins.“ [20] - Grundschule Neukeferloh
„Als mündliche Noten zählen ggf. auch Kurzproben. Sie werden nicht angekündigt.“ [21] - Grundschule Jahnschule Unterhaching:
„Als mündliche Noten zählen ggf. auch Kurzproben. Sie werden nicht angekündigt.“ [22]
Gewinn durch Umbenennung: Mögliches Umgehen der Regelungen
Gewinn der Umbenennung einer schriftlichen in mündliche oder praktische Leistungserhebung ist die Möglichkeit die gesetzlichen Regelungen umgehen zu können:
- keine notwendige Ankündigung der Leistungserhebung
- fließt nicht in die Gesamtzahl der schriftlichen Leistungserhebungen ein
- können in der probenfreien Zeit erhoben werden
- können am Tag einer Probe erhoben werden
- können auch in einer Woche mit zusätzlich zwei weiteren Proben erhoben werden
5. Walting: "Mündliche" Leistungserhebung Erste Hilfe
In der Grundschule Walting wurde am 13.01.2022 in der probenfreien Woche eine Leistungserhebung „Erste Hilfe“ im Fach HSU erhoben.
Die Leistungserhebung „Erste Hilfe“
- ging als „mündliche Note“ in die Bewertung im Fach HSU ein
- erstreckte sich über 2 DIN-A4 Seiten
- hatte eine schriftliche Angabe mit Multiple-Choice-Verfahren
- wurde von den Schülern schriftlich bearbeitet
- wurde nicht angekündigt, die fristgerechte Ankündigung hätte am 23.12. erfolgen müssen
- fand in der probenfreien Zeit statt
Die Leistungserhebung „Erste Hilfe“ ist aufgrund der Art und Weise der Prüfung nach den Definitionen von Niehues/Fischer/Jeremias, dem ISB, nach dem parlamentarischen Gesetzgeber und der bayerischen Rechtsprechung eine schriftliche Leistungserhebung und hätte angekündigt werden müssen. Sie ist deshalb nicht rechtskonform und stellt deshalb einen Verfahrensmangel dar.
Gerügter Verfahrensmangel wurde von der Schule nicht behoben
Nachdem am 13.01.2022 die Leistungserhebung geschrieben worden war, wurde die Schulleitung über den Verfahrensmangel am 16.01.22 mit der Bitte um Beseitigung des Mangels informiert, allerdings von Eltern, deren Kind nicht persönlich betroffen war.
Die schriftliche Antwort der Schulleitung auf die Bitte nach Beseitigung des Mangels war:
„Da Sie kein Kind in der 4. Klasse haben und auch nicht im Elternbeirat sind, erhalten Sie keine Stellungnahme von schulischer Seite aus. Es können sich jedoch gerne Eltern aus der betroffenen Klasse bzw. Vertreter des Elternbeirates an mich wenden.“
Eine unangekündigte schriftliche Leistungserhebung ist in der 4. Klasse nicht rechtskonform und ein Verfahrensmangel. Die unverzügliche Rüge fand statt. Die Grundschule Walting nahm trotz des Hinweises die Gelegenheit nicht wahr, den Verfahrensmangel zu beseitigen. Die Note der Leistungsbewertung floss in die Jahresfortgangsnote des Übertrittszeugnisses ein. Ob dadurch ein Kind beim Übertrittsverfahren benachteiligt war, ist nicht bekannt.
6. Walting: Mündliche Leistungserhebung Kopfrechenblatt
In der Grundschule Walting wurde im Schuljahr 2021/22 in der 4. Klasse eine Leistungserhebung „Kopfrechenblatt“ im Fach Mathematik erhoben (siehe Anlage 4).
Die Leistungserhebung „Kopfrechenblatt“
- ging als „mündliche Leistungserhebung“ in die Bewertung im Fach Mathematik ein
- wurden an drei verschiedenen Terminen (8.10.21, 18.11.21, 20.12.21) erhoben
- Stellung der Aufgabe durch die Lehrkraft erfolgte mündlich
- die Berechnung erfolgte ohne Notizen „im Kopf“
- die Lösung der Schüler wurde schriftlich festgehalten
- wurde nicht angekündigt
- ist Teil der Schülerakte, da materiell vorhanden
- Für alle 30 Aufgaben wurde insgesamt eine „mündliche Note“ vergeben.
Was versteht man unter Kopfrechnen?
- Unter Kopfrechnen versteht man das Lösen mathematischer Aufgaben ohne schriftliche Notizen und ohne Anwendung teilschriftlicher oder schriftlicher Rechentechniken.
- Unter Kopfrechnen versteht man nicht das Lösen einer Rechenaufgabe, die nicht schriftliche vorgegeben wurde. Anders ausgedrückt: Für eine Kopfrechenaufgabe besteht keine Notwendigkeit für eine mündliche Aufgabenstellung. Es können auch schriftliche Aufgabenstellungen ohne Anwendung teilschriftlicher oder schriftlicher Rechentechniken bewältigt werden.
Bei der Aufgabenstellung liegt keine Kompetenzorientierung vor: Ohne schriftliche Vorgabe misst man nicht nur die Kompetenz Kopfrechnen, sondern auch weitere Kompetenzen (Zahlen merken, Hörfähigkeit, …). Pädagogisch besser wäre eine schriftliche Aufgabenstellung, die auch an der Tafel stehen könnte.
Die Leistungserhebung „Kopfrechenblatt“ ist eine schriftliche Leistungserhebung
Nach allen oben vorgestellten Klassifikationskriterien für die Benennung von Prüfungen handelt es sich bei der Leistungserhebung Kopfrechenblatt der Grundschule Walting nach den Definitionen von Niehues/Fischer/Jeremias, dem ISB, nach dem parlamentarischen Gesetzgeber und der bayerischen Rechtsprechung um eine unangekündigte, schriftliche Leistungserhebungen, die nicht rechtskonform ist.
Exemplarische Gründe:
- Diese Leistungserhebung wird in der Schülerakte aufbewahrt, was an sich für tatsächlich mündliche Leistungen aufgrund derer Flüchtigkeit nicht möglich ist.
- Die Leistungserhebung ist keine Individualleistung, was bei mündlichen Leistungserhebungen der Fall ist
- Die Schüler präsentierten ihre Lösung nicht mündlich, sondern schriftlich.
- Es fand keine kommunikative, verbale Interaktion zwischen Lehrkraft und Prüflingen statt.
Es handelt sich also um eine schriftliche Leistungserhebung, die hätte angekündigt werden müssen. Die Verwendung des Rechtsbegriffs mündliche Leistungserhebung ist gebunden an die Art und Weise der Prüfung, nämlich die Art des Abbildens der geprüften Kompetenzen.
Vorteile der gewählten Benennung in „mündliche Leistungserhebung“ für die Grundschule Walting
- Eine gemeinsame Abfrage der Kinder erspart viel Zeit. Denn mündliche Leistungserhebungen müssen naturgemäß individuell und einzeln erfolgen.
- Wahrscheinlich erspart sich sie Lehrkraft auch mögliche, unangenehme Nachfragen der Eltern aufgrund des Mangels an Beweisbarkeit.
- Auch muss die Lehrkraft die Dokumentation der Leistungserhebung nicht zusätzlich selbst vornehmen. Denn zu Nachweiszwecken sind mündliche Leistungen, die im Unterricht erhoben werden, von der Lehrkraft regelmäßig schriftlich (etwa hinsichtlich des Zeitpunkts, des Leistungsgegenstands sowie der erzielten Note) zu dokumentieren.
- Eine mündliche Leistungserhebung muss weder angekündigt werden, noch zählt sie zu der vorgegebenen Richtzahl.
Diese Leistungserhebung „Geometrie“
- ging als „praktische Note“ in die Bewertung im Fach Mathematik ein
- erfolgte durch eine schriftliche Vorlage der Lehrkraft
- wurde von den Schülern mit Bleistift, Buntstiften, Zirkel und Geodreieck gelöst
- wurde nicht eine Woche vorher angekündigt
- ist Teil der Schülerakte, da dokumentierbar
Die Bezeichnung der Leistungserhebung als „praktische“ Leistungserhebung wurde von der Grundschule Walting mit einem Appell an das intuitive Alltagsverständnis gerechtfertigt, eine Parallele mit dem Geodreieck zu zeichnen sei doch eine praktische Tätigkeit. Jedoch ist das nicht haltbar, wie im Folgenden begründet wird. In der Zusammenschau der Definitionen von Niehues/Fischer/Jeremias, dem ISB, nach dem parlamentarischen Gesetzgeber und der bayerischen Rechtsprechung wird im bayerischen Schulkontext eine Zeichnung in Geometrie mit den Hilfsmitteln Zirkel und Geodreieck als schriftliche und nicht als praktische Leistungserhebung verstanden.
Sind Prüfungen der Zeichnungen in Geometrie schriftliche oder praktische Prüfungen?
Bei der Beantwortung der Frage helfen verschiedene Blickwinkel.
a) Blick auf die Inhalte des LehrplanPLUS ¾ Mathematik Geometrie
Die Schülerinnen und Schüler
- erstellen Skizzen und Lagepläne
- stellen zwischen zwei- und dreidimensionalen Darstellungen von räumlichen Gebilden Beziehungen her, indem sie zu räumlichen Gebilden einfache Baupläne erstellen.
- erstellen und strukturieren verschiedene Netze von Würfeln und Netze von Quadern
- zeichnen Strecken und Flächenformen frei sowie mit Hilfsmitteln (Lineal, Geodreieck, Zirkel)
- verkleinern und vergrößern ebene Figuren
- zeichnen Symmetrieachsen ein und prüfen nach
- erzeugen achsensymmetrische Figuren sowie Figuren und deren Spiegelbilder
- erstellen von Parkettierungen/Mustern
- verändern Bandornamenten oder setzen diese sie fort
Diese Inhalte erfordern beim Einüben und Prüfen mit Hilfsmitteln gespitzter Bleistift, Minenbleistift, Radiergummi, Geodreieck und Zirkel.
b) Zugelassene Hilfsmittel für Zeichnen im Fach Mathematik über alle Schularten
Üblich sind in Bayern im Fach Mathematik über alle Schularten die Hilfsmittel gespitzter Bleistift, Minenbleistift, Radiergummi, Geodreieck und Zirkel zu verwenden. Ebenso üblich werden im Fach Mathematik über alle Schularten schriftliche Leistungserhebungen geschrieben, die nach entsprechenden Unterrichtssequenzen in Geometrie Zeichnungen mit den genannten Hilfsmitteln erfordern. Die Verwendung dieser üblichen Hilfsmittel in schriftlichen Leistungsnachweisen ist nicht ausdrücklich geregelt. Entsprechend sind derartige Hilfsmittel auch zugelassen und vielmehr sogar zur Verwendung notwendig, da die Lehrpläne diese im Unterricht und insofern auch in schriftlichen Leistungsnachweisen einfordern.
c) Einordnung der Art und Weise des Leistungsnachweises Geometrie in der Sekundarstufe
Konstruktionen mit Zirkel und Geodreieck werden in der Sekundarstufe immer in schriftlichen Leistungserhebungen getestet. Sie fallen nicht unter die praktischen Leistungserhebungen, im Gegensatz zu Zeichnungen aus dem Fach Kunst. Die Zeichnungen in Fach Kunst werden auch immer am Jahresende den Schülerinnen und Schülern mit nach Hause gegeben, während die Leistungserhebungen zur Geometrie im Fach Mathematik nie ausgehändigt werden.
d) Einordnung der Art und Weise der Prüfung Geometrie im Probeunterricht
Im Probeunterricht werden in den schriftlichen Prüfungen im Fach Mathematik Zeichnungen im Bereich Geometrie verlangt. Zwar wird generell auf die Verwendung des Hilfsmittels Zirkel verzichtet. Allerdings sind Zeichnungen Gegenstand der Prüfungen und die Hilfsmittel Lineal, Geodreieck und Bleistift nötig: „Die genannte Einschränkung bezieht sich lediglich auf den Umgang mit dem Zirkel. Das freie Zeichnen von Strecken und Flächenformen sowie das Zeichnen von Strecken und Flächenformen mit Lineal und Geodreieck sind Gegenstand des Probeunterrichts.“ (Az. 111.1-BS7302-4b.1174 vom 01.09.2016)
e) Einordnung der Art und Weise der Prüfung in Geometrie durch das ISB
„Grafiken und Zeichnungen“ sind aus Sicht des ISB ein Beispiel für Inhalte einer schriftlichen Leistungserhebung gezählt.[23]:
An einer anderen Stelle heißt es, zur Form der schriftlichen Leistungserhebungen gehören Aufgabenstellungen wie Beantwortung von Fragen oder die Erstellung von Zeichnungen. [24]
Hierbei wird klar formuliert, dass das Erstellen von „Grafiken und Zeichnungen“ eine schriftliche Leistung darstellt.
f) Praxis weiterer Grundschulen bei schriftlichen und praktischen Aufgaben in der Geometrie
Beispiele für schriftliche und praktischen Aufgaben
Beispiel einer praktischen Leistungserhebung in einer anderen Grundschule im Fach Mathematik
Um zu illustrieren, wie praktische Leistungserhebungen im Teilbereich Geometrie an der Grundschule tatsächlich aussehen können, hier ein Beispiel.
Aufgabentypen, die sich unter keinen Umständen als praktisch einordnen lassen
Die Leistungserhebung Geometrie der Grundschule Walting 2020 und 2022 beinhalteten außerdem auch folgende Aufgabentypen, die auch mit viel Fantasie nicht als praktisch einzuordnen sind:
Rechtliche Gesamteinschätzung zur Leistungserhebung Geometrie an der Grundschule Walting
„Schriftliche Leistungserhebung“ und „praktische Leistungserhebung“ sind Rechtsbegriffe, die nicht willkürlich eingesetzt werden können und für die es keinen Ermessensspielraum gibt. Für die Leistungserhebungen im Fach Mathematik wird der Stoff Geometrie mit Zirkel und Geodreieck in der Sekundarstufe und im Probeunterricht sowie vielen weiteren Grundschulen als schriftliche Leistungserhebung bezeichnet, in der Grundschule Walting hingegen als praktische Leistungserhebung. Aus der Tatsache, dass die Benennung der Prüfungsform keinen Ermessensspielraum erlaubt, muss diese Klassifikation unabhängig von der Schulart, der Schule und der Lehrkraft konsistent sein. Deshalb und aufgrund der Art und Weise der Leistungsbestimmung an sich ist die Leistungserhebung Geometrie der Grundschule Walting faktisch eine schriftliche Leistungserhebung und wegen fehlender Ankündigung eine Woche vorher nicht rechtskonform.
Was ist das eigentliche Problem bei einer fehlerhaften Benennung in „praktische Leistungserhebung“?
1. Unangekündigt
Während man auch eine praktische Leistungserhebung Quader basteln keine Vorbereitung braucht, wird eine Vorbereitung in den Kompetenzen der Geometrie, die in der Grundschule Walting abgefragt wurden, einen entscheidenden Unterschied machen. Die praktische Leistungserhebung wird entweder in Walting gar nicht, wie im Schuljahr 2019/21, oder weniger als eine Woche vorher, wie im Schuljahr 2021/22, abgekündigt. Die Schülerinnen und Schüler haben nicht wie in anderen Schulen die gleiche Möglichkeit, sich ausreichend auf die Leistungserhebung im Kompetenzbereich Geometrie vorzubereiten.
2. Keine Entlastung der Schülerinnen und Schüler
Die Beschränkung der Probenzahl insgesamt dient, wie unter Punkt 1 dargelegt, auch der Entlastung der Schülerinnen und Schüler. Die Regelung wird mit einer falschen Bezeichnung der Leistungserhebungen umgangen.
3. Mangelnde Chancengleichheit durch Wahl der Form der Leistungserhebung
Im Probeunterricht Gymnasium und Realschule nimmt der Gesamtanteil der Geometrie in beiden Mathematik-Prüfungen zusammen etwa 25% ein (siehe Anlage x).
In der Grundschule Walting werden in den vier schriftlichen Leistungserhebungen bis zum Übertrittszeugnis keine Geometrie-Kenntnisse abgefragt. Diese werden in einer 5. Leistungserhebung geprüft, die nicht als schriftliche Leistungserhebung, sondern als praktische Leistungserhebung betitelt wird. Diese Leistungserhebung zählt dann auch nicht doppelt, wie die schriftlichen Leistungserhebungen, sondern einfach. Damit verringert sich der prozentuale Anteil der Geometrie an der Schule Walting von 25% auf 11%.
In den meisten Grundschulen wird von 4 schriftlichen Leistungserhebungen eine schriftliche Leistungserhebung mit Geometrie geschrieben. Auch hier ist der Anteil in der Regel um die 20-25%, je nachdem wie viele mündlichen Noten hinzukommen.
Durch eine einfache Bewertung der praktischen Leistungserhebung wird der Kompetenzbereich Raum und Form in Walting sehr viel weniger gewichtet als an anderen Schulen und als im Probeunterricht. Für Kinder, die mit dem Kompetenzbereich Geometrie einen anderen schwächeren Kompetenzbereich in der Mathematik ausgleichen könnten, ist das eine Benachteiligung.
4. Fehlende Möglichkeit zu einer echten mündlichen und praktischen Leistungserhebung
Die Schülerinnen und Schüler in der Grundschule Walting haben im Fach Mathematik weder an einer echten mündliche noch eine echte praktische Leistungserhebung teilgenommen. Schülerinnen und Schüler, deren Kompetenzen in mündlichen und praktischen Aufgabenstellungen stärker sind, sind hier benachteiligt.
8. Schlussbemerkung
Die Grundschule ist kein Einzelfall, im Internet publizieren viele Grundschulen ähnliches Vorgehen.
Neben allen rechtlichen Konsequenzen entsteht durch dieses Handeln auch ein großer Schaden für das Vertrauensverhältnis der Eltern in die Lehrerinnen und Lehrer. Denn schnell fühlen sich die Eltern für dumm verkauft, wenn eine Lehrkraft offensichtliche schriftliche Leistungserhebungen als mündliche oder aber praktische verkaufen möchte, um die Regelungen für Proben zu umgehen. Die Erziehungs- und Bildungspartnerschaft leidet darunter. Schnell berufen sich Lehrkräften bei Nachfragen dann auf die pädagogische Freiheit. Doch die Begriffe schriftliche, mündliche und praktische Leistungserhebungen sind Rechtsbegriffe, die gerichtlich nachprüfbar sind. Hier besteht kein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum für die Schule oder für Lehrkräfte.
Ziel der Beschwerde ist
- KMS zur Aufklärung der Rechtsbegriffe bzgl. Leistungserhebungen an alle Grundschulen
- Herausnahme der entsprechenden Leistungserhebungen aus der Berechnung und eventuelle Korrektur der Übertrittszeugnisse in der Grundschule Walting
Wenn der Staat die Entscheidung über die Eignung von Kindern trifft und dadurch die Entscheidungsmöglichkeiten von Eltern über die weitere Schullaufbahn stark beschränkt, sind derartige Mängel und Schwankungen wie in der Grundschule Walting nicht akzeptabel.
9. Quellen
[1] KMBek „Beratung und Transparenz in der Übertrittsphase“ vom 22.07.2009, Az.: IV.1-5 S 4302-6.64 320
[2] KMBek „Beratung und Transparenz in der Übertrittsphase“ vom 22.07.2009, Az.: IV.1-5 S 4302-6.64 320
[3] Ergänzende Erläuterungen im KMS „Kind- und begabungsgerechte Übertrittsphase“ vom 22.10.2009, Az.: IV.1-5 S 7200-4.70 113
[4] Ergänzende Erläuterungen im KMS „Kind- und begabungsgerechte Übertrittsphase“ vom 22.10.2009, Az.: IV.1-5 S 7200-4.70 113
[5] KMBek „Beratung und Transparenz in der Übertrittsphase“ vom 22.07.2009, Az.: IV.1-5 S 4302-6.64 320
[6] Ergänzende Erläuterungen im KMS „Kind- und begabungsgerechte Übertrittsphase“ vom 22.10.2009, Az.: IV.1-5 S 7200-4.70 113
[7] Ergänzende Erläuterungen im KMS „Kind- und begabungsgerechte Übertrittsphase“ vom 22.10.2009, Az.: IV.1-5 S 7200-4.70 113
[8] Website KM: https://www.km.bayern.de/schueler/schularten/uebertritt-schulartwechsel.html vom 23.07.22
[9] Ergänzende Erläuterungen im KMS „Kind- und begabungsgerechte Übertrittsphase“ vom 22.10.2009, Az.: IV.1-5 S 7200-4.70 113
[10] Website KM: https://www.km.bayern.de/schueler/schularten/uebertritt-schulartwechsel.html vom 23.07.22
[11] KMS „Kind- und begabungsgerechte Übertrittsphase“ vom 04.09.2009, Az.: IV.1 – 5 S 7200 – 4. 70108
[12] Amtsblatt der Bayerischen Staatsministerien für Unterricht und Kultus, Forschung und Kunst, 17.08.2009
[13] vgl.KM, Pressemitteilung Nr. 105 vom 10.09.2020
[14] Website KM: https://www.km.bayern.de/schueler/schularten/uebertritt-schulartwechsel.html vom 23.07.22
[15] Website KM: https://www.km.bayern.de/schueler/schularten/uebertritt-schulartwechsel.html vom 23.07.22
[16] Kompetenzorientierter Unterricht: Leistungen beobachten – erheben – bewerten, ISB, 2017, S.34
[17] Kompetenzorientierter Unterricht: Leistungen beobachten – erheben – bewerten, ISB, 2017, S.34
[18] Website Grundschule Ichenhausen, Stand: 26.07.2022
[19] Website Konradin-Grundschule Kaufbeuren, Stand: 26.07.2022
[20] Website Bertleinschule Grundschule Lauf a.d. Pegnitz, Stand: 26.07.2022
[21] Website Grundschule Neukeferloh, Stand: 26.07.2022
[22] Website Grundschule Jahnschule Unterhaching, Stand: 26.07.2022
[23] Kompetenzorientierter Unterricht: Leistungen beobachten – erheben – bewerten, ISB, 2017, S.34
[24] Kompetenzorientierter Unterricht: Leistungen beobachten – erheben – bewerten, ISB, 2017, S.35
[25] Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 8. Auflage 2022, Rn. 28
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