Petition Bewertung der Rechtschreibung

 

Petition an den Bayerischen Landtag
-
Bewertung der Rechtschreibung

 

Beschwerde
gegen
das Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus

 

eingereicht am 9.7.2022
Petent: Ilona Zehetleitner


Zusammenfassung

Die Rechtschreibung wird an vielen Grundschule im Aufsatz, in Sprache untersuchen und im Fach HSU bewertet.
Tatsächlich ist aber die Bewertung der Sprachrichtigkeit, also der Grammatik und der Rechtschreibung, in der Grundschule außerhalb kompetenzorientierter Leistungserhebungen nicht rechtskonform. Das bedeutet, Grammatik darf ausschließlich in den Leistungserhebungen „Sprache untersuchen“ bewertet werden und Rechtschreibung ausschließlich in den Leistungserhebungen „Richtig schreiben“.


1. Vergleich der Verordnungen bzgl. Rechtschreibung

2. Definition Sprachrichtigkeit

3. Bisherige Rechtsauffassung des Kultusministeriumst

4. Aktueller Gerichtsbeschluss: Die Bewertung der Rechtschreibung in der Grundschule ist einzig im Kompetenzbereich der Rechtschreibprüfung rechtskonform

5. Das Kultusministerium möchte den Gerichtsbeschluss vom 13.09.2021 zur Kenntnisnehmen und die Grundschulen vor Schuljahresbeginn entsprechend informieren


1.   Vergleich der Verordnungen bzgl. Sprachrichtigkeit

  • Grundschule: § 11 Abs.1 GrSO:
    Bei der Bewertung eines schriftlichen Leistungsnachweises kann die äußere Form mit berücksichtigt werden. Bei schriftlichen Leistungsnachweisen sind Verstöße gegen die Sprachrichtigkeit und schwerere Ausdrucksmängel zu kennzeichnen; hiervon kann in Einzelfällen, z. B. bei Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf oder mit nichtdeutscher Muttersprache, abgesehen werden.
  • Mittelschule: § 13 Abs.1 MSO:
    Bei schriftlichen Leistungsnachweisen sind Verstöße gegen die Sprachrichtigkeit und schwerere Ausdrucksmängel zu kennzeichnen;hiervon kann in begründeten Ausnahmefällen abgesehen werden.
  • Realschule: § 21 Abs.1 RSO:
    Bei der Bewertung einer schriftlichen Arbeit kann die äußere Form mit berücksichtigt werden. Bei schriftlichen Arbeiten sind Verstöße gegen die Sprachrichtigkeit und schwerere Ausdrucksmängel zu kennzeichnen, im Fach Deutsch und in den Fremdsprachen sind sie zu bewerten.
  • Gymnasium: § 26 Abs.1 GSO:
    Bei der Bewertung einer schriftlichen Arbeit kann die äußere Form mit berücksichtigt werden. Bei schriftlichen Arbeiten sind Verstöße gegen die Sprachrichtigkeit sowie Ausdrucksmängel zu kennzeichnen und können angemessen bewertet werden.
Kennzeichnung und Bewertung der Rechtschreibung nach Schularten

Fundamentale Bedingung einer verfahrensfehlerfreien schulischen Leistungsbewertung ist die richtige Auswahl und Zurkenntnisnahme der bewertungsrelevanten Leistungselemente. Ob ein bestimmtes Leistungselement bewertungsrelevant ist, kann in den jeweiligen Schulordnungen auf Landesebene geregelt werden. Im Hinblick auf die Frage, ob bei schriftlichen Arbeiten in bayrischen Grundschulen auch die Rechtschreibung ein bewertungsrelevantes Leistungselement darstellt, hat sich der Gesetzgeber für eine gesetzliche Regelung entschieden, die an Klarheit nichts zu wünschen übriglässt. Während nämlich § 11 Abs. 1 GrSO in Form einer „Kann-Regelung“ ermöglicht, die äußere Formeiner schriftlichen Arbeit als bewertungsrelevant mit zu berücksichtigen, werden die Leistungselemente Sprachrichtigkeit und Ausdruck explizit hiervon abgegrenzt, indem geregelt wird, dass Mängel insoweit lediglich „zu kennzeichnen“ sind (Ausdrucksmängel zudem nur, wenn sie schwerer Natur sind). Einer Argumentation, das Gesetz sei hier „lückenhaft“ und die Möglichkeit (oder gar das Gebot?) einer Bewertung auch der Rechtschreibung müsse man als Rechtsanwender mit hinzudenken, ist aufgrund dieser expliziten gesetzlichen Differenzierung von vornherein der Weg versperrt. Für eine anderweitige Gesetzesauslegung besteht in Ansehung des eindeutigen Wortlauts kein Raum.

Bestätigt wird dieses ohnehin nicht zweifelhafte Rechtsverständnis durch eine gesetzessystematische Gegenkontrolle: Ein Blick in die vorstehend zitierten Schulordnungen MSO, RSO und GSO zeigt klar auf, mit welch großer Klarheit und Bewusstheit der Gesetzgeber bei der Regelung der Frage vorgeht, an welchen Schulen, in welchen Fächern und in welcher Weise („Kann-Regelung“ oder zwingende Bewertung) die Leistungselemente Sprachrichtigkeit und Ausdruck als bewertungsrelevant angesehen werden können bzw. müssen.


2. Definition Sprachrichtigkeit

Die Grundschulordnung verwendet den Begriff Sprachrichtigkeit: Bei schriftlichen Leistungsnachweisen sind Verstöße gegen die Sprachrichtigkeit und schwerere Ausdrucksmängel zu kennzeichnen; (§ 11 Abs. 1 GrSO).

Was beinhaltet der Begriff „Sprachrichtigkeit“?

Das Kultusministerium sagt:
In einer Bekanntmachung des KM findet sich die Definition des KM von Sprachrichtigkeit steht unter 3.1.3 Bewertung:
„Es werden insbesondere die folgenden Kriterien berücksichtigt: […]
sprachlicher Ausdruck und Sprachrichtigkeit, insbesondere: klarer, genauer, sachlich angemessener und argumentativ differenzierter, variantenreicher Ausdruck; funktionsgerechter, übersichtlicher und variabler Satzbau; korrekte Grammatik und Rechtschreibung (einschließlich richtiger Zeichensetzung).“
(Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst
vom 13. Juli 2016, Az. VI.7-BS 9611-7b.982)

Hier erfolgt eine Differenzierung des Begriffes „sprachlicher Ausdruck“ und „Sprachrichtigkeit“:

  • sprachlicher Ausdruck:
    klarer, genauer, sachlich angemessener und argumentativ differenzierter, variantenreicher Ausdruck; funktionsgerechter, übersichtlicher und variabler Satzbau;
  • Sprachrichtigkeit:
    korrekte Grammatik und Rechtschreibung (einschließlich richtiger Zeichensetzung)

Die Bayerische Rechtsprechung sagt:
Auch in der bayerischen Rechtsprechung beinhaltet die Sprachrichtigkeit auch die Rechtschreibung:

So z. B. VGH München, Beschluss v. 22.05.2017 – 7 CE 17.112, VGH München, Beschluss v. 29.06.2020 – 7 CE 20.721, VG München, Beschluss v. 23.03.2020 – M 3 E 20.211. In allen Urteilen beinhaltet die Sprachrichtigkeit den Begriff der Rechtschreibung.
Ein aktueller Beschluss des VG München (Beschluss v. 13.09.2021 – M 3 E 21.4346) geht noch einen Schritt weiter und stellt fest:
„Auch aus der inhärenten Logik aller Prüfungen im Fach Deutsch ergibt sich, dass die Sprachrichtigkeit bereits im Diktat geprüft wurde und durch die Note dort in bedeutendem Maße in die Gesamtnote einfließt; dasselbe gilt im Übrigen auch für die Sprachbetrachtung.“

Demnach wird die Sprachrichtigkeit

  • im „Diktat“ geprüft, was die Kompetenz Rechtschreibung misst
    (gemeint ist hier also die Prüfung "Richtig schreiben")
  • und in der „Sprachbetrachtung“ geprüft, welche die Kompetenz der Grammatik misst
    (gemeint ist hier also die Prüfung "Sprache untersuchen")

Sprechrichtigkeit beinhaltet deshalb Rechtschreibung:
Der Begriff Sprachrichtigkeit umfasst somit sowohl aus kultusministerialer Sicht als auch aus gerichtlichem Verständnis die Grammatik und die Rechtschreibung (einschließlich richtiger Zeichensetzung).


3. Bisherige Rechtsauffassung des Kultusministeriums

Das KM interpretiert die Rechtslage jedoch im Gegensatz zu Punkt 1) so, dass Rechtschreibung und Grammatik in der Grundschule im Fach Deutsch bewertet werden „muss“ bzw. „darf“. Diese Einschätzung soll an zwei konkreten Beispielen illustriert werden.


Beispiel 1
Im Jahr 2013, veröffentlichte das KM in der Zeitschrift Schule &wir folgendes rechtliches Statement:

"Rechtschreibfehler in einer HSU-Probe - Punktabzug?
Meinem Sohn (3. Klasse) wurde in einer HS_Probe ein halber Punkt wegen falscher Rechtschreibung abgezogen. Dieser fehlt ihm jetzt zur besseren Note. Die Lehrerin meinte, die Lehrerkonferenz hätte beschlossen, Rechtschreibfehler auch in Sachfächern zu bewerten. Ist das zulässig?“

Antwort Kultusministerium:
„Verstöße gegen die Sprachrichtigkeit und schwerere Ausdrucksmängel sind bei allen schriftlichen Probearbeiten in allen Fächern zu kennzeichnen (§44 VSO)Die Bewertung der konkreten Verstöße liegt hingegen in der pädagogischen Verantwortung der Lehrkraft. Etwaige Festlegungen der Lehrerkonferenz zu Schuljahresbeginn sind zu beachten und Schülern und Erziehungsberechtigten rechtzeitig bekannt zu geben. Im Fach Deutsch ist eine Bewertung zwingend erforderlich, in anderen Fächern in der Regel dann, wenn sinnstörende Fehler vorliegen. Die Verantwortung für eine sinnvolle und gerechte Bewertung obliegt dem Schulleiter (§27 LDO).

-> Das KM machte 2013 in dieser Einschätzung zwei widersprüchliche Aussagen:

  1. Die Bewertung von Verstößen gegen die Sprachrichtigkeit liegt in der pädagogischen Verantwortung der Lehrkraft.
  2. Die Bewertung von Verstößen gegen die Sprachrichtigkeit ist im Fach Deutsch zwingend erforderlich. Weiterhin ist die Bewertung von Verstößen gegen die Sprachrichtigkeit in den anderen Fächern zwingend erforderlich, wenn sinnstörende Fehler vorliegen.

Beide Behauptungen waren von der damals geltenden VSO jedoch nicht gedeckt. Denn nach der VSO waren wie in der heute geltenden GrSO Verstöße gegen die Sprachrichtigkeit zu kennzeichnen. Zur Bewertung erfolgte keine Aussage:
Bei der Bewertung einer Probearbeit kann die äußere Form mit berücksichtigt werden. Bei allen Probearbeiten sind Verstöße gegen die Sprachrichtigkeit und schwerere Ausdrucksmängel zu kennzeichnen; hiervon kann in der Jahrgangsstufe 2 und bei Schülerinnen und Schülern mit nichtdeutscher Muttersprache abgesehen werden. Zwischennoten werden nicht erteilt. (§ 44 Abs. 1 VSO)

Die VSO wurde 2015 von der GrSO abgelöst. Im Punkt Kennzeichnung und Bewertung der Sprachrichtigkeit erfolgte keine Veränderung.


Beispiel 2
Seit 2015 gilt die GrSO. Im Jahr 2017 gab das KM folgende Broschüre des ISB heraus:
„Kompetenzorientierter Unterricht: Leistungen beobachten – erheben – bewerten. Grundschule“
Dort wird folgendes rechtliches Statement abgedruckt:

" Wird bei Leistungserhebungen auch die Rechtschreibung mit bewertet?

  • Im Fach Deutsch wird eine Bewertung der Rechtschreibung empfohlen, in anderen Fächern in der Regel dann, wenn es sich um sinnstörende Fehler handelt.
  • Festlegungen bezüglich der Bewertung der Rechtschreibung sind Teil der Vereinbarungen der Lehrerkonferenz zu Schuljahresbeginn (§10 Abs. 1 GrSO).
  • Die regelmäßige Korrektur von Hefteinträgen und anderen Schülerprodukten gehört zu den Dienstaufgaben der Lehrkraft (§ 3 Abs. 3 LDO)."

-> Im Gegensatz zur Aussage 2013 (Beispiel 1) hält diese Broschüre 2017 die Bewertung der Rechtschreibung im Fach Deutsch in der Grundschule nicht mehr für zwingend erforderlich, sondern empfiehlt diese nur noch. In anderen Fächern werde die Bewertung dann empfohlen, wenn es sich um einen sinnstörenden Fehler handle.

Doch auch diese Auslegung ist nicht rechtskonform nach § 11 Abs. 1 Satz 2 GrSO.

Ebenso ist die Behauptung, die Lehrerkonferenz könne den Rahmen der Bewertung von Rechtschreibung festlegen, nicht rechtskonform mit § 11 Abs. 1 Satz 2 GrSO.


4. Aktueller Gerichtsbeschluss: Die Bewertung der Rechtschreibung in der Grundschule ist einzig im Kompetenzbereich der Rechtschreibprüfung rechtskonform

Ein aktueller Beschluss des Verwaltungsgerichts München (Beschluss v. 13.09.2021 – M 3 E 21.4346) beleuchtet die Bewertung der Sprachrichtigkeit im Probeunterricht und der Grundschule:

Aus dem Gerichtsbeschluss VG München (Beschluss v. 13.09.2021 – M 3 E 21.4346, Rn 33):
„Gemäß dem über Art. 100 Abs. 2 Satz 1 BayEUG anwendbaren § 3 Abs. 5 Satz 3 RSO werden dem Probeunterricht die Anforderungen der Jahrgangsstufe 4 unter Berücksichtigung der Zielsetzung der Realschule zugrunde gelegt. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Grundschulordnung (GrSO) vom 11. September 2008 (GVBl. S. 684, BayRS 2232-2-K), die zuletzt durch § 2 der Verordnung vom 8. Juli 2021 (GVBl. S. 479) geändert worden ist, kann bei der Bewertung eines schriftlichen Leistungsnachweises die äußere Form mitberücksichtigt werden und nach § 11 Abs. 1 Satz 2 GrSO sind bei schriftlichen Leistungsnachweisen Verstöße gegen die Sprachrichtigkeit und schwerere Ausdrucksmängel zu kennzeichnen, wovon in Einzelfällen, z. B. bei Schülerinnen und Schülern mit nichtdeutscher Muttersprache, abgesehen werden kann. Diese Bewertung von Leistungen wird gemäß § 21 Abs. 1 Satz 3 und 4 RSO in der Realschule strenger vorgenommen; zwar kann auch dort bei der Bewertung einer schriftlichen Arbeit die äußere Form mitberücksichtigt werden, bei schriftlichen Arbeiten sind aber Verstöße gegen die Sprachrichtigkeit und schwerere Ausdrucksmängel zu kennzeichnen und im Fach Deutsch zu bewerten.“

Feststellungen in diesem Absatz (Rn 33):

  • In der Realschule seien Verstöße gegen die Sprachrichtigkeit (hier: im Aufsatz) im Fach Deutsch zu bewerten.
  • Dem Probeunterricht werden die Anforderungen der Jahrgangsstufe 4 zugrunde gelegt, also denjenigen der Grundschule und der GrSO (§ 3 Abs. 5 Satz 3 RSO).
  • In der Grundschule habe die Sprachrichtigkeit keinen so hohen Stellenwert wie in der Realschule. Das zeige sich auch daran, dass sogar auf die Kennzeichnung der Verstöße der Sprachrichtigkeit verzichtet werden könne, falls eine Schülerin oder ein Schüler kein Muttersprachler ist.
  • Die Bewertung von Leistungen werde in der Realschule strenger vorgenommen. Bei schriftlichen Arbeiten sind Verstöße gegen die Sprachrichtigkeit und schwerere Ausdrucksmängel zu kennzeichnen und im Fach Deutsch zu bewerten.

Aus dem Gerichtsbeschluss VG München (Beschluss v. 13.09.2021 – M 3 E 21.4346, Rn 37):
„Aus der dargestellten Schlussbemerkung ergeben sich aber starke Anhaltspunkte, dass die Rechtschreibung der letztlich ausschlaggebende Faktor für die Bewertung mit der Note 6 war.
Dies ist aber von dem oben dargestellten Rechtsrahmen nicht mehr gedeckt. Zwar sind nach § 21 Abs. 1 Satz 4 RSO Verstöße gegen die Sprachrichtigkeit zu bewerten. Diese Vorschrift findet aber keine direkte Anwendung auf den Probeunterricht, in dem die Anforderungen der Jahrgangsstufe 4, also der Grundschule und damit der GrSO, zugrunde zu legen sind, § 3 Abs. 5 Satz 3 RSO. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 GrSO wird der Sprachrichtigkeit in der Grundschule im Vergleich aber kein so hoher Stellenwert beigemessen. Dies zeigt sich auch an der Regelung, dass bei Schülerinnen und Schülern, die wie die Antragstellerin keine Muttersprachler sind, auf eine Kennzeichnung verzichtet werden kann. In diesem Zusammenhang ist nach der Aktenlage nicht erkennbar, ob bzw. inwieweit die Schule insofern den ihr aufgrund dieser Regelung zustehenden Bewertungsspielraum genutzt hat. Auch aus der inhärenten Logik aller Prüfungen im Fach Deutsch ergibt sich, dass die Sprachrichtigkeit bereits im Diktat geprüft wurde und durch die Note dort in bedeutendem Maße in die Gesamtnote einfließt; dasselbe gilt im Übrigen auch für die Sprachbetrachtung. Daraus und der unverbindlichen Vorgabe zur Gewichtung der einzelnen Kriterien lässt sich schließen, dass dem Probeunterricht die Anforderungen der Grundschule zugrunde gelegt werden und dass die Sprachrichtigkeit vor allem aus dem Diktat in entsprechendem Umfang in die Gesamtnote einfließt. Eine weitere strenge Bewertung - wie hier, wo die Rechtschreibung augenscheinlich negativ ausschlaggebend für die Endnote des Aufsatzes war - verkennt den Stellenwert den die Sprachrichtigkeit als Anforderung an der Grundschule hat, und lässt für das Gericht nach summarischer Prüfung eine Verkennung des zwingend anzuwendenden § 3 Abs. 5 Satz 3 RSO erkennen. Eine solch starke Wertung der Rechtschreibung ist auch nicht mehr vom Beurteilungsspielraum der Prüfer gedeckt, sondern verlässt dessen Grenzen und ist somit justitiabel.“

Feststellungen in diesem Absatz (Rn 37):

  • Im Probeunterricht und in der Grundschule dürfe die Rechtschreibung nicht zu einer Abwertung eines Aufsatzes führen. Denn dies sei nicht vom Rechtsrahmen gedeckt.
  • In der Grundschule und damit der GrSO werde der Sprachrichtigkeit im Vergleich zur Realschule (bzw. dem Gymnasium) kein so hoher Stellenwert beigemessen.
  • Es bestünde eine inhärente Logik aller Prüfungen im Fach Deutsch, in deren Teilprüfungen die Sprachrichtigkeit geprüft werde. Diese Teilprüfungen messen die Teilbereiche der Sprachrichtigkeit
    1. Rechtschreibung (bezeichnet als „Diktat“, gemeint ist hier „Richtig schreiben") und
    2. Grammatik (bezeichnet als „Sprachbetrachtung“, gemeint ist hier „Sprache untersuchen").
  • Die Sprachrichtigkeit flösse im Probeunterricht Realschule in bedeutendem Maße in die Gesamtnote mit ein und die Bewertung der Sprachrichtigkeit wird als „streng“ beurteilt.
  • Eine weitere Bewertung der Rechtschreibung im Aufsatz verkenne den Stellenwert, den die Sprachrichtigkeit als Anforderung an der Grundschule hat. Eine solch starke Wertung der Rechtschreibung sei auch nicht mehr vom Beurteilungsspielraum der Prüfer gedeckt, sondern verlasse dessen Grenzen und sei somit justitiabel.

Schlussfolgerungen, die sich aus diesem Gerichtsbeschluss ziehen lassen:

  • Das Urteil bezieht sich ursprünglich auf den Probeunterricht, stellt aber den Beurteilungsspielraum der Prüfer in der Grundschule klar. Demnach ist eine Bewertung der Sprachrichtigkeit auch in der Grundschule außerhalb des Bereiches Richtig schreiben und Sprache untersuchen nicht rechtskonform. Die Bewertung von Verstößen gegen die Sprachrichtigkeit z. B. in Aufsatz, Lese-, oder Hörverständnis-Proben verlässt demnach auch in der Grundschule den Bewertungsspielraum des Prüfers und wird vom Gericht als justitiabel gesehen.
  • Eine wichtige Beurteilung der Rechtslage ist demnach, dass die Bewertung der Rechtschreibung in der Prüfung „Richtig schreiben“ und die Bewertung der Grammatik in der Prüfung „Sprache untersuchen“ offenbar nicht beanstandet wird. Im Probeunterricht wird in der Prüfung „Richtig schreiben“ nur die Rechtschreibung und im Bereich „Sprache untersuchen“ nur Grammatik bewertet. In beiden Prüfungen werden Teile der Sprachrichtigkeit bewertet, obwohl die Bewertung der Sprachrichtigkeit laut GrSO nicht vorgesehen ist. Offenbar wird hier die Bewertung der Sprachrichtigkeit nur außerhalb dieser Prüfungen zur Sprachrichtigkeit als justitiabel gesehen.
  • Die Gewichtung der Prüfungen Richtig schreiben und Sprache untersuchen von je 13,3% in der Gesamtbewertung als Einfließen „in bedeutendem Maße“ und als „strenge Bewertung“ beurteilt.
    Vorgabe der Gewichtung der Prüfungen im Probeunterricht:
    13,3% für Rechtschreibung (Richtig schreiben) und 13,3% für Grammatik (Sprache untersuchen) ergeben einen Gesamtprozentsatz von 27% für den Bereich Sprachrichtigkeit in der gesamten Prüfung im Fach Deutsch im Probeunterricht.

    Vorgabe der Gewichtung der Prüfungen im Probeunterricht:

 


5. Das Kultusministerium möchte den Gerichtsbeschluss vom 13.09.2021
zur Kenntnis nehmen
und die Grundschulen vor Schuljahresbeginn
entsprechend informieren

  • Der aktuelle Gerichtsbeschluss des Verwaltungsgerichts München ist im Kultusministerium zur Kenntnis zu nehmen.
  • Die Grundschulen sind zu Schuljahresbeginn 2022/23 entsprechend zu unterrichten.
  • Das ISB ist zu Schuljahresbeginn 2022/23 entsprechend zu unterrichten.
  • fehlerhafte Rechtseinschätzungen wie z. B. unter Punkt 3 sind entsprechend zu korrigieren.